Einleitung: Heute in 7 Monaten

Unterkapitel 1.1 der Einleitung erzählt aus Sicht eines fiktiven Gründers den Tag der Unternehmensgründung in einem Rückblick. Der Text ist voller Übertreibungen und Unstimmigkeiten, die mit der Realität des Unternehmer-Lebens nicht viel zu tun haben. Nachfolgend wird dargestellt, wie es real wirklich aussieht:

#1 „… Anwalt und … Wirtschaftsprüfer … spontan bereit erklären … auf das ihnen für den Vertragsentwurf zustehende Honorar zu verzichten.“

Vergessen Sie das! Für die Verträge werden Sie immer bezahlen müssen. Geschätzte 80 % dieser Dienstleister werden Ihnen sogar die Anwesenheit beim Notartermin in vollem Umfang in Rechnung stellen. Auch wenn es dort in der Regel nicht allzu viel zu tun gibt, schließlich wurden die zu unterzeichnenden Verträge die Tage zuvor zwischen Anwalt/Wirtschaftsprüfer und Notar im Detail abgestimmt.

Es soll übrigens Anwälte geben, die bei umfangreichen Beurkundungen beim Notar regelmäßig einschlafen. Dann wird doch tatsächlich im Schlaf Geld verdient. (Siehe auch Kap. 19, „Erfahrungen mit externen Dienstleistern“)

#2 „Als Unternehmensgründer genießt man Respekt und Achtung von allen Seiten.“

In den USA mag das vielleicht so sein, nicht aber in einer Arbeitnehmergesellschaft wie in Deutschland. Von den meisten Leuten wird man als Gründer milde belächelt. Viele beneiden durchaus den Mut eines Gründers, hoffen dann aber insgeheim, dass dieser mit seinem Vorhaben auf die Nase fällt. Wenn andere mit Aktivität erfolgreich sind, würde schließlich die eigene Passivität in Frage gestellt. Als Gründer finden Sie in Ihrem Umfeld vielleicht 10 %, die Ihnen für Ihr Vorhaben Respekt und Achtung zollen.

#3 „… man soll die Feste feiern wie sie fallen …“

Prinzipiell stimmt das natürlich. Aber in den Anfangsmonaten einer Unternehmensgründung wird den Gründern nur selten nach Feiern zumute sein. Auch die Außenwirkung gilt es zu bedenken, schließlich hat das Unternehmen meist noch keinen Euro verdient. Wie heißt es so schön: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.

#4 und #5 „Die ersten vier Angestellten haben Sie auf 15:00 Uhr ins Büro bestellt.“

Sowohl aus rechtlichen als auch aus organisatorischen Gründen wird es kaum möglich sein, dass bereits am Tag der notariellen Gründung erste Angestellte im Unternehmen die Arbeit aufnehmen. Schließlich müssten diese dazu möglicherweise schon Monate zuvor ein bestehendes Arbeitsverhältnis kündigen. Zu diesem Zeitpunkt ist aber Ihr Unternehmen noch reine Fiktion. Wer würde sich darauf verlassen, dass Ihre Gründung am Tag x sicher stattfindet? Fazit: Vor offizieller Eintragung ins Handelsregister wird niemand einen Arbeitsvertrag unterzeichnen. Selbstverständlich kann es unmittelbar nach der Gründung gelingen, mit Berufseinsteigern z.B. kurzfristig ein Arbeitsverhältnis zu vereinbaren.

Den ersten Arbeitstag eines neuen Angestellten um 15:00 Uhr beginnen zu lassen, ist reine Geldverschwendung. Früh morgens um 6:45 Uhr macht auch keinen Sinn, schließlich wird um diese Uhrzeit ein Großteil Ihrer Mitarbeiter noch in den Federn liegen. Idealerweise beginnt der erste Arbeitstag pünktlich zur Kernarbeitszeit des Unternehmens, also um 08:30 Uhr oder z.B. 09:00 Uhr.

#6 „Und drei Ehefrauen gleich mit angestellt: Gabi, Jasmin und Yvonne…“

Trennen Sie Berufliches und Privates! Familienangehörige mit im Unternehmen zu beschäftigen, ist aus unterschiedlichen Gründen riskant und bringt häufig Ärger.

#7 „Jasmin hat keine Qualifikation …“

Mitarbeiter ohne jegliche Qualifikation werden Sie in einem Software-Startup kaum sinnvoll beschäftigen können.

#8 „Einer Ihrer Partner schlägt vor, schon nächstes Jahr ein Büro in Kalifornien zu eröffnen.“

Es kann Situationen geben, in denen das durchaus Sinn macht. Dies hängt von Ihrem Geschäftszweck und Ihren Zielmärkten ab. Natürlich wird dafür auch Ihre Kapital- und Personalausstattung eine Rolle spielen. Dass ein Startup bereits nach einem Jahr eine Dependence in Kalifornien eröffnet, ist dennoch eher unwahrscheinlich. Denken Sie nicht, dass Sie mit einer 5-Mann-Truppe erfolgreich auf den amerikanischen Markt gehen können. Die Erfolgsaussichten solch eines Vorhabens sind minimal.

#9 „… die Familie auf die Geschäftsreisen mitnehmen und alle Kosten von der Steuer absetzen.“

Großartige Idee! Ja, Mitbürger mit wenig Zugang zum Thema „Wirtschaft“ denken tatsächlich immer, dass es genau so läuft: Für Selbständige ist vieles irgendwie umsonst, weil die das immer „von der Steuer absetzen“ können…

Dem ist aber nicht so! Um etwas von der Steuer absetzen zu können, müssen Sie erst einmal Steuern zahlen. Aufgrund der üblichen Anfangsinvestitionen verdienen die meisten neugegründeten Unternehmen in den ersten Jahren kein Geld und zahlen demzufolge auch kaum Steuern. Sämtliche Kosten und Aufwendungen erhöhen lediglich den Verlust, daher sollten Gründer versuchen die Ausgaben im Rahmen zu halten. „Von der Steuer absetzen“ bedeutet auch nicht, dass man die Dinge dadurch geschenkt bekommt. Das Unternehmen reduziert damit nur die Steuerlast.

Für Betriebsprüfer vom Finanzamt sind mitreisende Familienangehörige regelmäßig ein rotes Tuch. Spätestens bei Ihrer ersten Betriebsprüfung wird das Finanzamt die Sache kassieren und Sie auffordern, die der Gesellschaft entstandenen Zusatzkosten privat zurückzuzahlen.

#10 und #11 „Mit zwei von Ihren insgesamt sechs in auffälligem Cyan lackierten fabrikneuen Mittelklasse-Limousinen…“

Sich zu Beginn der unternehmerischen Tätigkeit erst einmal einen fabrikneuen Dienstwagen auf den Firmenhof zu stellen, kommt bei einer Vielzahl von Beteiligten überhaupt nicht gut an und bedient einschlägige Vorurteile gegenüber Selbständigen. Lassen Sie das zu Beginn besser, auch wenn Sie umfangreich über Startkapital verfügen. Das ganze Thema „Dienstwagen“ ist insbesondere in Deutschland unglaublich heikel und Neid spielt eine große Rolle. Sowohl Ihre Kunden als auch Ihre Mitarbeiter werden kritisch beobachten, mit welchem Fahrzeug Sie vorfahren. Überlegen Sie sich als Gründer in Ihren Anfangsjahren daher gut, wann Sie in Fahrzeuge investieren und in welchem Umfang. Im Zweifel gilt für ein junges Unternehmen immer „weniger ist mehr“.

#12 „Die in mattem schwarz lackierten 20-Zoll Leichtmetallfelgen … und … Tieferlegung …“

Matt schwarz lackierte 20-Zoll Leichtmetallfelgen sehen meistens klasse aus, haben aber nichts auf einem Dienstwagen zu suchen. Tieferlegung ist bei einem Dienstwagen in der ITK-Branche tendenziell ein NO-GO.
Siehe auch #10 und #11.

#13 „… Firmenkunden-Berater bei der örtlichen Bank, der … dankenswerterweise gleich noch den Tipp mit dem Autohändler …“

Auch der Firmenkunden-Berater Ihrer Hausbank wird Ihnen in der Gründungsphase raten, in andere Wirtschaftsgüter zu investieren als Dienstwagen.

#14 und #15 „Knapp 500 qm haben Sie angemietet … mit Blick über die Stadt.“

Deutlich zu großzügig und zu teuer, auch wenn Sie mit einem Team von einem halben Dutzend Gründer anfangen. Halten Sie Ihr Kapital anfangs für sinnvollere Investitionen zusammen. (Siehe auch Kap. 8, „Standort“)

#16 „… Zehnjahresvertrag!“

Die Entwicklung eines Startups auch nur annähernd auf zehn Jahre vorauszusehen ist völlig unmöglich! Aus diesem Grund sollten junge Unternehmen sich nicht zu lange vertraglich binden, unabhängig davon, wie attraktiv die dafür gewährten Rabatte sein mögen. Selbst die bei Büro-Immobilien üblichen fünf Jahre Mietdauer sind für ein Startup zu lange. Gründer sollten immer versuchen, eine Ausstiegsklausel im Mietvertrag vorzusehen.

#17 „Die Netzwerktechniker von Ihrem Internet-Provider … sind aber praktisch auf die Minute genau fertig geworden.“

Dass ein Handwerksbetrieb pünktlich fertig wird ist denkbar, in der Realität aber eher unwahrscheinlich. Wer kennt nicht die Artikel aus einschlägigen Fachzeitschriften, in denen über massive Verzögerungen bei der Bereitstellung von Telekommunikations-Diensten berichtet wird. Halten Sie sicherheitshalber einen „Plan B“ vor.

#18 „Obwohl Ihr Softwareprodukt erklärungsbedürftig ist, haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Agentur Struktur und Inhalte der Website fast komplett eigenverantwortlich entwickelt und formuliert. Sie sind froh, dass Sie nichts groß beitragen mussten.“

Diese Werbeagentur müssen Sie finden! Das Gegenteil ist meist der Fall: Insbesondere bei erklärungsbedürftigen Produkten muss man den Damen und Herren in der Werbebranche massiv unter die Arme greifen und die Arbeiten umfassend begleiten. (Siehe auch Kap. 19, „Erfahrungen mit externen Dienstleistern“)

#19 „Schreiben und Texten liegt eigentlich keinem in Ihrem Gründerteam.“

Das wäre problematisch! Mindestens einer im Gründerteam sollte in der Lage sein, auf einigermaßen hohem Niveau kommunizieren zu können, sowohl verbal als auch schriftlich. (Siehe auch Kap. 2, „Der Mensch Unternehmer“)

#20 „Lediglich einen einzigen unbedeutenden Tippfehler…“

Auch hier gilt wieder: Diese Werbeagentur müssen Sie finden! 3-5 Tippfehler und/oder falsche Silbenumbrüche pro DIN A4 Seite sind nach meiner Erfahrung eher normal. Kalkulieren Sie immer mehrere Bearbeitungs-Iterationen, bis aus einem ersten Textentwurf ein für die Öffentlichkeit taugliches Werbemittel wird. Siehe auch #18.

#21 „Die ganzen Abkürzungen und technischen Daten würden bestimmt richtig sein…“

Gerade bei diesen Punkten hakt es häufig und man sollte als Auftraggeber doppelt genau Korrektur lesen. Bei fachspezifischen Texten wird immer eine gründliche Nach-Prüfung erforderlich sein.

#22 „… schließlich stammt das Material aus einem Interview … und wurde damals vom Mitarbeiter der Agentur auf seinem Smartphone mitgeschnitten.“

Insbesondere bei der Übertragung von Texten vom Diktiergerät o.ä. passieren häufig Übertragungsfehler.

#23 „Ihr High-Speed DSL-Zugang läuft auf Anhieb tadellos.“

Kann sein, muss aber nicht. Siehe auch #17.

#24 „… noch ein paar schicke Tablets für die Freundinnen und Ehefrauen?“

Beschaffen Sie in Ihrer Startphase nur die Geräte, die Sie auch wirklich für Ihren Geschäftsbetrieb benötigen. Spielereien gehören ins Privatleben und nicht an den Arbeitsplatz. Siehe auch #9.

#25 „… ein paar in Alu gerahmte Kunstdrucke …“

… braucht man als Startup zu Beginn auch nicht unbedingt. Andererseits ist es gegenüber potenziellen Kunden und Mitarbeitern kein Nachteil, wenn Ihr Büro beeindruckt und schick und modern aussieht. Hier gilt es sorgfältig abzuwägen.

#26 „… Ihr früherer Chef hat Sie den Quellcode des Prototyps lizenzkostenfrei mitnehmen lassen …“

Gratuliere, wenn Sie das so hinbekommen. Aber wenn der Code etwas taugt und einen Marktwert besitzt, dann wird Ihnen das keiner schenken. Wenn der Code hingegen nichts taugt und kommerziell betrachtet wertlos ist, dann werden Sie nur schwer im Rahmen Ihrer Unternehmensgründung etwas damit anfangen können. Sollte Ihr früherer Chef Sie tatsächlich bei Ihrer Unternehmensgründung unterstützen, dann müssen Sie das unbedingt schriftlich festhalten und aufpassen, dass nichts davon zu einem späteren Zeitpunkt rechtlich anfechtbar ist („Lizenzvereinbarung“). (Siehe auch Kap. 9, „Der Ausstieg aus dem Angestelltenverhältnis“)

#27 „… auf Anhieb einen zahlungskräftigen Investor angeln.“

„Auf Anhieb“ ist das eher unwahrscheinlich, außer Ihre Geschäftsidee ist absolut sensationell. In der Regel wird es mehrere Anläufe benötigen, bis ein Startup den passenden Business Angel gefunden hat. (Siehe auch Kap. 6, „Kapitalbeschaffung“)

#28 „… das Geld scheint bei den Damen und Herren in der Business Angels Szene sowieso recht locker zu sitzen.“

Das kann man so pauschal sicher nicht sagen! Die Damen und Herren Business Angels prüfen schon genau, in was und vor allem in wen sie ihr Geld investieren.

#29 „Verblüffend, wie intuitiv die Administration eines Server basierten Application Lifecycle Management Systems doch ist.“

Ich habe noch kein „Application Lifecycle Management System“ zu sehen bekommen, dessen Administration und Bedienung als intuitiv bezeichnet werden könnte. Es ist harte Arbeit, bis so ein System aufgesetzt ist und zur Produktivitätssteigerung in der Softwareentwicklung beiträgt.

#30 „… eine oder vielleicht sogar anderthalb Stunden am Tag länger arbeiten.“

Das wird nicht reichen! (Siehe auch Kap. 3.2, „Kondition“)

#31 „Noch 12 Wochen, dann geht es endlich in den Urlaub … für insgesamt drei Wochen.“

Die meisten Selbständigen, die ich kenne, haben zumindest die ersten 24 Monate nach Gründung des Unternehmens überhaupt keinen Urlaub gemacht. Wenn einer der Gründer drei Wochen am Stück abwesend ist, stellt dies in einem kleinen Unternehmen in der Regel eine zu große Belastung für die Organisation dar.

#32 „Was soll’s, für die Begrüßung bleibt auch morgen noch Zeit.“

Als Gründer und Firmeninhaber einen neuen Mitarbeiter am Tag seines Arbeitsantritts nicht persönlich zu begrüßen, hielte ich für respektlos.

#33 „… den 6-Zylinder anwerfen …“

Falls Ihnen das Thema wichtig ist: Fangen Sie klein an (4-Zylinder, Hybrid, E-Auto, E-Bike o.ä.) und steigern Sie sich dann parallel zu Ihren nachweisbaren unternehmerischen Erfolgen. Siehe auch #10,11,12